Schiur: Organspende im JudentumDas Thema Organspende ist unter Juden leider immer noch überschattet von der Vorstellung, dass Organspenden von der Tora her verboten seien, da die Körper der Toten unversehrt bleiben müssen, damit sie am Ende der Tage vollständig wiederauferstehen können.
Dass nicht nur das liberale Judentum, sondern auch wichtige (wenngleich nicht alle) Autoritäten des orthodoxen Judentums Juden nahelegen, einen Organspendeausweis bei sich zu tragen, zeigte Ulrike Gottwald-Hostalek am 20. April in einem spannenden Schiur zu diesem Thema.
Es folgen Auszüge aus dem Schiur: Ausführliche Zusammenfassung von Ulrike Gottwald-Hostalek siehe unten
Pikuach Nefesch – Das Retten von Leben hat immer Vorrang:
Maimonides: Jeder, der einem Anderen das Leben retten kann und dies nicht tut, übertritt das Verbot: „Stehe nicht still beim Blute deines Nächsten.“ (3.M. 19:6) Jemand, der seinen Freund im Meer ertrinken sieht, oder Diebe, die sich im ihm nähern, oder ein wildes Tier, das ihn angreift, und er kann ihn retten oder andere bezahlen, ihn zu retten, und er tut dies nicht…, jemand, der so handelt, übertritt das obenstehende Verbot!
Kann B A ohne Gefahr retten, muss B es tun.
Kann B A nur unter Lebensgefahr retten, darf B es nicht.
Kann B A unter gewisser Gefahr retten, sollte B es tun.
Seit 2001 gibt es eine Halachic Organ Donor Society [http://www.hods.org/German/]. Sie hat bereits mehr als 200 Rabbiner als Organspender gewonnen. Zu ihren Aufgaben zählen die Aufklärung über halachische und medizinische Aspekte der Organspende und die Vergabe von Organspendeausweisen mit der Unterscheidung von Organentnahme nach Herz/Kreislaufstillstand oder Hirntod. Die Halachic Organ Donor Society bietet außerdem rabbinische Beratung und Überwachung im Falle einer Organspende.
Zitat von Robert Berman zur Organspende durch Juden an Nichtjuden:
„Diese Frage geht davon aus, dass die Torah andeutet, dass es bedeutsam sei, das Leben eines Juden zu retten, der gleiche Akt für einen Nicht-Juden aber nicht zulässig wäre… Die Torah basiert darauf, dass „alle Menschen nach dem Bildnis Gottes geschaffen wurden“. Daher bestätigt die Organspende an einen Nicht-Juden, dass dieser Mensch das Potential hat, auf dem Pfade Gottes zu gehen: Abraham, der Begründer des Judentums, wurde erst Jude als er zu Abraham wurde“.
Als Todeszeitpunkt in der Medizin gelten der Herzkreislaufstillstand sowie der Hirntod. Beim Gesamthirntod kann heute die Atmung (und ggf. der Kreislauf) künstlich aufrechterhalten werden, um Transplantationserfolge zu verbessern.
Entscheidung des Oberrabbinats Israel 1987
- Bei Herztransplantationen von Unfallopfern wird der Hirntod als Todeskriterium akzeptiert.
- Herztransplantationen von Unfallopfern sind erlaubt, wenn:
o Einverständnis des Spenders oder der Angehörigen
o Bezeugung der korrekten Feststellung des Hirntodes durch Vertreter des Oberrabbinats.
- Hauptargumente:
o Verbesserung der Überlebenschance der Empfänger
o Exakte Bestimmung des Todeszeitpunktes möglich
o Rav Mosche Feinstein hat Herztransplantationen erlaubt
Orthodoxe Gegenmeinungen
- Rav Schlomo Salmen Auerbach, Rav Joseph Elijashiv, Rav Elieser Jehuda Waldenberg halten das Hirntodkriterium für unvereinbar mit der Halacha.
- Oberrabbiner Lord Jonathan Sacks hält das Tragen von Organspendeausweisen für unvereinbar mit jüdischem Recht.
- Agudat Israel verteilt in New York „Ausweise“ gegen Organspende. „I do not give my permission to take from me, not in life nor in death, any organ or part of my body for any purpose”.
Aussagen der Halacha
3 Personen, deren Verhalten zu beurteilen ist:
- Organspender: Ist es aus halachischer Sicht gestattet ein Organ zu spenden?
o Ja, wenn eine größere Gefahr für den Spender ausgeschlossen ist.
- Arzt: Wird ein Arzt, der bei einem Hirntoten ein Organ entnimmt aus halachischer Sicht zum Mörder?
o Nein, wenn der Hirntod als Todeskriterium anerkannt ist.
- Empfänger: Ist es aus halachischer Sicht erlaubt, sich einer Transplantation zu unterziehen?
o Ja, wenn gewisse Bedingungen erfüllt werden (Freiwilligkeit des Spenders, kein Organhandel, etc.).
Ausführliche Zusammenfassung von Ulrike Gottwald-Hostalek
Organspende im Judentum
Bei Organspenden werden menschliche Organe oder Teile menschlicher Organe von einem Spender auf einen Empfänger übertragen.
Grundsätzlich wird bei der Organspende unterschieden zwischen Lebendspenden (z. B. Niere) und postmortalen Organspenden (z. B. Herz). In der Regel erzielen Organe aus Lebendspenden einen höheren Transplantationserfolg.
Gesetzliche Voraussetzung für eine postmortale Organentnahme ist in der Bundesrepublik die eindeutige Feststellung des Gesamt-Hirntods (Nulllinien EEG über dem Stammhirn) oder des Herztods. Lebendspenden sind neben der Zustimmung des Spenders oft noch an weiterreichende Bedingungen gebunden (z.B. nur innerhalb der Verwandtschaft oder zwischen Ehepartnern).
Seit Beginn der Organspende besteht ein Mangel an Spenderorganen. Etwa 1000 Israelis und 100.000 US Amerikaner warten auf ein Spenderorgan. Ca. 100 Israelis und 7.000 US Amerikaner sterben jedes Jahr, während Sie auf der Organspendeliste stehen.
Für Juden ist im Rahmen der Organspende wichtig, dass der menschliche Körper eigentlich Gott gehört und nur als Leihgabe anzusehen ist. Daher kann man nicht frei über seinen Körper verfügen, sich willentlich Verletzungen zuführen oder sich freiwillig in Gefahr begeben, was zunächst gegen eine Lebendspende zu sprechen scheint.
Der Respekt für den menschlichen Körper gilt nicht nur für Lebende, sondern auch für Tote. So darf nach der Halacha kein Leichnam verletzt werden (Issur Nivul Hamet), es darf kein Gewinn aus einem Leichnam gezogen werden (Issur Hana‘at Hamet), die Beerdigung darf nicht verzögert werden (Issur Halanat Hamet), der menschliche Körper soll unversehrt bestattet werden und ein Sterbender (Gosses) sollte nicht berührt werden. Alle diese Verbote werden bei einer postmortalen Organspende übertreten.
Allerdings ist eines der Hauptprinzipien des jüdischen Rechts die Rettung und Erhaltung menschlichen Lebens (Pikuach Nefesh). Dieser Grundsatz steht über (fast) allen halachischen Ge- und Verboten.
Wegen Pikuach Nefesh erlauben liberales und progressives Judentum im Allgemeinen eine Organspende. Von manchen Rabbinern wird Organspende sogar als halachische Pflicht gesehen. Bei einem konkreten Empfänger (lefanenu) wird auch im orthodoxen Judentum eine Organspende erlaubt, wenn bei postmortaler Spende der Tod des Spenders eindeutig festgestellt ist (oder, bei Lebendspende, keine größere Gefahr für den Spender besteht), der Spender oder seine Familie der Organentnahme zustimmt , für den Empfänger Lebensgefahr besteht und die Erfolgswahrscheinlichkeit der Transplantation akzeptabel ist. Die Religionszugehörigkeit von Spender und Empfänger sollte dabei keine Rolle spielen.
Da im jüdischen Glauben kein Leben für ein anderes Leben geopfert werden darf, ist die Feststellung des Todeszeitpunktes des potentiellen Spenders wichtig.
In der modernen Medizin gilt seit ca. 50 Jahren der Gesamt-Hirntod, d.h. der irreversible Ausfall von Großhirn, Kleinhirn und Hirnstamm, neben dem irreversiblen Herzkreislaufstillstand (Herztod) als Todeszeitpunkt.
Todeszeichen nach der Halacha sind keine Bewegung, keine Atmung und kein Puls. Bei Gesamt-Hirntod werden Atmung (und damit der Kreislauf) künstlich aufrechterhalten, um Transplantationserfolge zu verbessern. Der Hirntod als Todeszeitkriterium scheint daher der Halacha zu widersprechend.
Allerdings ist bei Gesamt-Hirntod eine eigenständige Atmung ist nicht mehr möglich. Bei Absetzen der Beatmung kommt es zum Herz-Kreislaufstillstand und die Organe sterben nach und nach ab.
Da die Fähigkeit zur Spontanatmung als primärer Indikator für Leben gilt, beim Gesamt-Hirntod keine Spontanatmung möglich ist, ist nach Rabbiner Mosche Tendler der Gesamt-Hirntod ein halachisch akzeptable Todeskriterium.
Diesem Standpunkt hat sich auch das Oberrabbinat in Israel angeschlossen und 1987 den Eintritt der Hirntods als Todeszeitpunkt für Herztransplantationen von Unfallopfern akzeptiert. Diese sind erlaubt, wenn das Einverständnis der Spenders oder seiner Angehörigen vorliegt und wenn ein Vertreter des Oberrabbinats die korrekte Feststellung des Hirntods bezeugt.
Diese Entscheidung des Oberrabbinats wird von vielen orthodoxen Juden nicht geteilt. Sie lehnen weiterhin den Gesamt-Hirntod als Todeskriterium ab.
So ist es nicht überraschend, dass die Organspendebereitschaft unter Juden besonders gering ist. Bei einer Umfrage im Jahre 2001 in den USA hatten nur 3% der amerikanischen Juden (Durchschnitt in den USA 40%) und nur 3 Rabbiner einen Organspendeausweis.
Um die Situation zu verbessern, wurde 2001 in den USA die Halachic Organ Donor Society (HODS) gegründet, die vor allem traditionelle Juden weltweit über halachische und medizinische Aspekte der Organspende aufklärt.
So wird z.B. ein Organspendeausweis zur Verfügung gestellt, auf dem der potentielle Spender vermerken kann, ob er mit Organentnahme nach Eintritt des Hirntods oder erst nach erfolgtem Herz-Kreislaufstillstand einverstanden ist. Auch eine rabbinische Beratung und Überwachung im Falle einer Organspende wird angeboten.
Bisher konnten schon über 200 Rabbiner in den USA als Organspender gewonnen werden.
BerichtDemo gegen Justizreform in IsraelRede von Rabbinerin Elisa Klapheck
Liebe Freundinnen und Freunde,
Schalom chawerim – schalom chawerot!
Liebe Teilnehmerinnen und Teilnehmer dieser Demo,
ob Juden und Jüdinnen,
ob aus Israel
oder ob einfach nur solidarisch mit Israel
und seiner Demokratie,
Das ist die erste Rede auf einer Demonstration, die ich halte.
Ich hätte nie gedacht, dass es soweit mit mir kommt, dass ich auf einer Demo spreche.
Rabbiner sollten sich eigentlich aus der Alltagspolitik heraushalten.
Aber hier geht es nicht um Alltagspolitik – hier geht es um Grundsätzliches!
In der Tora steht ganz eindeutig, dass die Regierung unter dem Gesetz steht –
Unter dem Gesetz und nicht über dem Gesetz
Wenn Du Dir einen König gibst, - sagt die Tora - „soll er sich diese Tora zweimal abschreiben – und sie soll bei ihm sein, dass er darin lese alle Tage seines Lebens, auf dass er lerne den Ewigen seinen Gott zu fürchten, zu beobachten alle Worte der Tora und dieser Rechtssatzungen, um sie auszuüben – dass sich nicht erhebe sein Herz über seine Brüder und dass er nicht weiche von dem Gebote rechts noch links.“ (Deut. 17, 18-20)
In der antiken Welt war das ein Novum – ein König, der sich an die Tora zu halten hat. Der unter ihr steht und aus ihr lernen soll.
Das war ein... Lesen Sie mehr >>